Merkenitante

Merkenitante, ein Handwerksmann, ein Künstler im südlichen Italien begibt sich soeben in seine Werkstatt. Sein Innerstes sagt ihm, jetzt soll begonnen werden, mit seinem Werk. Ein ganz besonderes Werk ist dieses, während er langsam sein Arbeitsmaterial sortiert und wie in Trance sich durch sein Atelier mit den hohen sonnenlichtdurchfluteten Fenster bewegt.

Zur gleichen Zeit räumt seine Gemahlin in der Küche die Reste des ausgiebigen Mittagessen weg. Sie singt dabei mit ihrer wundervollen Stimme melodische kleine Liedchen voll Herz und Seele.

Sie freut sich über das Leben, dass sie an der Seite ihres Mannes nun schon seit über 20 Jahren führt. Er ist Künstler ganz und gar. Sie lächelt, wenn sie darüber nachsinnt, wie er kurz vor dem Beginn eines neuen Werkes freudig erregt ist. Sich dann ganz plötzlich für einige Wochen beinahe rund um die Uhr in sein Atelier zurückzieht um konzentriert sein Werk zu schaffen. In den frühen Morgenstunden schlüpft er zu ihr unter die Bettdecke, nicht ohne ihr noch ein Küsschen auf die Stirne zu geben. Sie tut als würde sie schlafen, tatsächlich könnte sie nicht eine Nacht ruhig durchschlafen, wenn sie nicht sein regelmäßiges Atmen neben sich hört. Wenige Stunden später nach einem raschen Frühstücksmal, das aus Tee und bruscetta besteht, verschwindet er wieder in seine Werkstatt.

Erst nachdem das Werk fertiggestellt ist, kommt er feierlich zu ihr. Sie ist ihm sehr wichtig, sie ist die erste Zeugin seiner neu geborenen Schöpfung. Voll Neugierde betritt sie das Atelier um nach wenigen Augenblicken voll Verzückung seine von Hand geschaffene Skulptur zu betrachten. Sie denkt, vollkommen, so ein Geschöpf, der Körper eine einzigartige Harmonie, das Gesicht friedlich und so vollendet. Noch schöner geht es nicht mehr denkt sie, während bei jeder neuen Skulptur starkes Herzklopfen verspürt und eine Liebe die sie ihrem Manne nur zeigen kann, indem sie ihn an ihr Herz drückt und ihn so eine lange Zeit hält, die eine Ewigkeit sein könnte.

Heute war es wieder einmal soweit Merkenitante ist in Hochspannung, er lächelte seine Frau geheimnisvoll an, in seinem Blick ist soviel Weisheit, Freude, Glanz, denkt sie und liebt ihn noch ein Stückchen mehr.

Er verschwindet in seinem Atelier. Die Tage und Wochen vergehen, so wie immer ist das Frühstück knapp und die Küßchen des Nächtens werden von der Gemahlin selbstverständlich wachsam und freudig entgegengenommen. Doch dauert es nun schon doppelt so lange wie seine üblichen Werke und die Gemahlin wundert sich. Auch nach der dreifachen Dauer ändert sich das Verhalten der Gattin nicht. Da die Gattin niemals ihren Mann in Frage stellt, ihm immer treu und liebevoll zur Seite steht, wartet sie geduldig. Sie macht sich auch keine Gedanken, was hinter der Ateliertüre geschehe. Nein sie akzeptiert und duldet und freut sich an den kleinen Ritualen, die die beiden nun schon so gut und lange zusammen leben. Und schließlich nach einem vollen Jahr, erscheint Merkenitante mit feierlichem erlöstem Blick in der Tür um seine Gemahlin sein Werk zu präsentieren. Freude und Liebe strömen ihm von seiner Frau entgegen, erst jetzt kann er sie voll und ganz annehmen. Sein Herz springt voll Rührung in seiner Brust, er liebt sie so sehr. Komm nur, bedeutet er ihr mit einer liebevollen Geste. Die erste Zeugin des Werkes betritt den Raum. Sie wird gewahr einer Schar von Engelwesen, die überall in der Werkstatt sitzen, liegen, stehen, würdevolle, kraftvolle, erleuchtete Wesenheiten die sosehr lebendig wirken, dass das Atelier so vor Engel wimmelt. So fühlt es sich auf jeden Fall für die Gattin an. Noch nie hatte ein Künstler ein derartiges Werk vollbracht und wird es wohl auch kein zweiter so schnell machen. In der folgenden Nacht, als die beiden Eheleute nachdem sie endlich wieder glücklich mit ihren Körpern verschmelzen und dann friedlich nebeneinander einschlafen, bewegt sich etwas im angrenzendem Raume.

Im Mondlicht beginnen die Figuren sich zu bewegen, sie begrüßen und küssen und umarmen sich gegenseitig um dann wenige Zeit später alle gemeinsam sich zu erheben und in verschiedene Himmelrichtungen unter wundervollen himmlischen Klängen auszuschwärmen.

Und was entdecken der Künstler und seine Frau am nächsten Tage in der Werkstatt? 

Die Gestalten befinden sich tatsächlich allesamt noch im Raume, doch kann man, wenn man sie ganz genau betrachtet, wahrnehmen, dass die Konturen Schimmern, so als würde etwas Lebendiges  daran sein, was auch tatsächlich der Wahrheit entsprach, denn irgendwo auf Erden war das geschaffene Himmelswesen gerade dabei behilflich einer Seele Beistand zu leisten.

CMG

20.10.18  20:38 Uhr